Bundesfachstelle Barrierefreiheit

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Hier informieren wir Sie über Neuigkeiten aus dem Bereich der Barrierefreiheit sowie aus der Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

Drittes Netzwerktreffen zur digitalen Barrierefreiheit

Datum 26.06.2023

Usability war das Schwerpunktthema des dritten Netzwerktreffens digitale Barrierefreiheit, das die Bundesfachstelle Barrierefreiheit für Behörden des Bundes veranstaltet hat. Zu der diesmal hybriden Veranstaltung kamen am 15. Juni 2023 rund 45 Mitarbeitende von Bundesbehörden in die Räume des „Tuechtig“ in Berlin-Wedding. 40 weitere Gäste nahmen online teil.

Was ist eigentlich Usability und wo sind die Schnittstellen zur digitalen Barrierefreiheit? Zu diesem Thema fand das dritte Netzwerktreffen digitale Barrierefreiheit statt. Vier Referierende führten in das Thema ein und standen für Fragen zur Verfügung.

Erster Vortrag: Sensibilisierung Usability, DRV Bund

Zwei Männer stehen neben einer Bühne. Einer von ihnen spricht in ein Mirkofon. Daneben ist die Leinwand zu sehen, auf der steht: Sensiblisierung Usability. Die ersten beiden Referenten: Hans-Jörg Otte und Markus Henkel von der DRV Bund (v.l.n.r.). Quelle: © Bundesfachstelle Barrierefreiheit/Britta Leuermann

Hans-Jörg Otte und Markus Henkel vom Team Quality Gate Usability der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) hielten den ersten Vortrag. Der Vortrag begann mit dem aktuellen Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes, wo die Themen Nutzerfreundlichkeit (Usability) und Barrierefreiheit erstmalig zusammen in einem Paragraphen aufgeführt werden: „§ 7 Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit“ (vgl. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/kabinettsfassung/entwurf-gesetz-aenderung-ozg-digitalisierung-verwaltung.html ).

Dies sei eine positive Neuerung: Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit verstärken sich gegenseitig, berichteten die Referenten.

Eine nutzerfreundliche Software ist die Basis für eine gute Barrierefreiheit. Diese entsteht durch die Ausrichtung der Produkte und Prozesse an den Bedürfnissen der Nutzenden (User Centered Design). Nutzerzentrierung ist ein Unternehmensziel der DRV Bund.

Die beiden Referenten schilderten, wie in ihrer Behörde das Thema Usability umgesetzt wurde und wird. Eine hilfreiche Unterstützung war das Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts, welches darlegt, dass wesentliche Änderungen an der Oberfläche eines IT-Verfahrens durch die Personalvertretungen grundsätzlich mitbestimmungspflichtig sind (OVG-Urteil 62 PV 8.12). Seitdem entscheiden die Personalvertretungen der DRV Bund über den Einsatz von Softwareprodukten auch auf Basis der Prüfberichte zur Usability und Barrierefreiheit. In dieser Zeit wurde in der DRV Bund das Team „Quality Gate Usability“ gegründet. Die ersten Aktivitäten waren die Erarbeitung von Vorgaben zum Prüfablauf und den Prüfmethoden. Methodisch kommen überwiegend Expertentests, Gruppeninterviews und Nutzendenbefragungen zum Einsatz. Ergänzt wird das Portfolio durch Sensibilisierungsschulungen und Beratungen zur Usability.

Die Definition der Usability erfolgt in der DIN EN ISO 9241-11, wonach Nutzende ihre bestimmten Aufgabenziele in ihrem bestimmten Kontext mit Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung erreichen sollen. Mit anschaulichen Beispielen wurden die Begriffe und ihre Abgrenzungen zueinander erläutert.

Usability ist gut für die Gesundheit am Arbeitsplatz

Ergänzend zeigten die Referenten auf, dass unergonomische Software auch gesundheitliche Probleme auslösen kann. Usability ist so auch für die Arbeitssicherheit und den Betriebsärztlichen Dienst wichtig.

Abschließend wurden die vielfältigen Vorteile für alle Beteiligten aufgezeigt: Nutzende erhalten eine intuitive Bedienung und effiziente Dialogabläufe, Entwicklerinnen und Entwickler bekommen zufriedene Kunden und müssen keine Nachbesserungen durchführen, Arbeitgeber profitieren von einer effizienten Aufgabenerledigung und zudem ist die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz sichergestellt.

Zweiter Vortrag mit Praxisbeispiel: Projekt „Team Usability“

Eine Frau spricht in ein Kopfmikrofon. Sie hat schulterlange blonde Haare und trägt eine Brille. Netzwerktreffen Simone Lerche Simone Lerche vom Projekt "Team Usability" hielt den zweiten Vortrag. Quelle: © Bundesfachstelle Barrierefreiheit/Britta Leuermann

Im zweiten Vortrag stellte Simone Lerche von der Dias GmbH die Ergebnisse des Projekts „Team Usability“ vor. Bei diesem Projekt, das durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert wird, geht es um die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in Accessibility- und Usability-Tests.

Frau Lerche zeigte zunächst ein Video: die Aufzeichnung eines praktisch durchgeführten Usability-Tests, der online durchgeführt wurde. Hier testete Jasmin Kahraman, externe Testerin des Projekts, die Usability einer Website des öffentlichen Personennahverkehrs. Frau Kahraman ist blind und nutzt einen Screenreader (Vorlese-Software). Zum Navigieren durch die Website verwendet sie die Tastatur. Nachdem Frau Lerche der Nutzerin eine alltägliche Aufgabe stellte – die Suche einer konkreten Fahrverbindung –, zeigte die Nutzerin, wie sie diese Aufgabe praktisch umsetzt und beschrieb dabei ihre Vorgehensweise. Frau Lerche schaute ihr bei der Nutzung der Website zu. Das Anwendungsbeispiel sollte besonders die Machbarkeit solcher Remote-Usability-Tests demonstrieren und einen Eindruck der Nutzungsweise von Screenreadern geben.

Von Barrierefreiheit profitieren alle

Nach einem kurzen Interview mit Frau Kahraman vor Ort erläuterte Frau Lerche den sogenannten „Curb Cut Effect“. Dieser Effekt beschreibt, dass viele Elemente der Barrierefreiheit, die speziell für Menschen mit Behinderungen entwickelt wurden, von einer größeren Gruppe genutzt und geschätzt werden. So profitieren beispielsweise auch Menschen, die mit Koffer oder Kinderwagen unterwegs sind, von abgesenkten Bordsteinen. Im digitalen Bereich sind solche Elemente neben Untertiteln auch ausreichende Kontraste, die Vergrößerbarkeit, die Sprachsteuerung sowie die Hilfestellung und Fehlertoleranz bei Formularen – Barrierefreiheit verbessert hier die Usability für alle.

Die Usability-Tests im Projekt „Team Usability“ haben das Ziel, Verbesserungen speziell für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Daher testen hier Alltagsnutzende mit Behinderungen (ohne Expertise) aufgabenbasiert die Gebrauchstauglichkeit in ihrer Nutzungsweise, also beispielsweise unter Screenreader oder Vergrößerung, berichtete Lerche. Dies ist ein Unterschied zu den Barrierefreiheits-Tests des Projekts, bei denen ausschließlich Fachleute (mit und ohne Behinderungen) prüfen. Die Usability-Tests stellen eine Ergänzung zu Barrierefreiheits-Tests dar, etwa dem BITV-Test oder dem WCAG-Test.

Nutzertests eignen sich nicht zum Test grundlegender Barrierefreiheit. Letztere ist jedoch Voraussetzung, um sich mit Testpersonen, die Assistenztechnologien nutzen, auf das Nutzererlebnis konzentrieren zu können.

Aktuell seien im Projekt etwa 50 Testpersonen, die mit Screenreader, Vergrößerung, Spracherkennung usw. die Usability von Websites und Software testen. Wer in die Gruppe der Tester aufgenommen werden möchte, kann sich über die Website des Projekts anmelden. Ergänzend wies Frau Lerche darauf hin, dass die Usability-Bedarfe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bzw. Lernbehinderungen aktuell vom Projekt „#LeichtOnline – Digitale Barrierefreiheit für Menschen mit kognitiven Behinderungen“ der Lebenshilfe Hamburg untersucht werden.

Wer künftig Nutzertests mit Menschen mit Behinderungen durchführen möchte, dem empfahl Frau Lerche den im Projekt entwickelten Online-Leitfaden „Usability-Tests mit Proband*innen mit Behinderungen“. Er sensibilisiert für Vorteile, vermittelt Basiswissen zu Nutzungsweisen und Teststrategien und zeigt ganz praktisch, wie die Umsetzung funktionieren kann. Der Leitfaden wird ergänzt von Praxisbeispielen, die Einblicke in einzelne Umsetzungen geben. Neben moderierten Usability-Tests (vor Ort oder online) werden auch Usability-Tests in Eigenregie und Methoden der Nutzerforschung (Online-Befragung, Fokusgruppe, Interview) beschrieben.

Netzwerk digitale Barrierefreiheit

Seit Sommer 2022 veranstaltet die Bundesfachstelle Barrierefreiheit zweimal jährlich Netzwerktreffen zur digitalen Barrierefreiheit für Behörden des Bundes. Ziel ist der Austausch und die Vernetzung für die Umsetzerinnen und Umsetzer von digitaler Barrierefreiheit in den Behörden. Aktuell sind 120 Mitarbeitende von Bundesbehörden Teil des Netzwerks.

Sie möchten auch teilnehmen?

Wenn Sie in einer Bundesbehörde zum Thema digitale Barrierefreiheit arbeiten und Interesse haben, ebenfalls künftig am Netzwerktreffen teilzunehmen, melden Sie sich bitte bei der Bundesfachstelle:
bundesfachstelle-barrierefreiheit@kbs.de

Das nächste Netzwerktreffen ist für Herbst 2023 geplant.