Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

Regelungsgegenstand:
Aufbau des Gerichtssystems
Rechtsgebiet:
Öffentliches Recht
Zuletzt geändert durch Gesetz vom:
07. Juli 2021
Europarechtliche Grundlage(n):
Nein
Themengebiete (Auswahl):
Kommunikation
Zuständiges Bundesressort:
Justiz
Vorschriften betreffend Barrierefreiheit:
§ 186 Verständigung mit hör- oder sprachbehinderter Person § 191a Zugänglichmachung von Schriftstücken für blinde oder sehbehinderte Personen
Wortlaut der Vorschrift(en):
§ 186: (1) Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen. (2) Das Gericht kann eine schriftliche Verständigung verlangen oder die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine ausreichende Verständigung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, 1. den Umfang des Anspruchs auf Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2, 2. die Grundsätze einer angemessenen Vergütung für den Einsatz von Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2, 3. die geeigneten Kommunikationshilfen, mit Hilfe derer die in den Absätzen 1 und 2 genannte Verständigung zu gewährleisten ist, und 4. ob und wie die Person mit Hör- oder Sprachbehinderung mitzuwirken hat. § 191a: (1) Eine blinde oder sehbehinderte Person kann Schriftsätze und andere Dokumente in einer für sie wahrnehmbaren Form bei Gericht einreichen. Sie kann nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 verlangen, dass ihr Schriftsätze und andere Dokumente eines gerichtlichen Verfahrens barrierefrei zugänglich gemacht werden. Ist der blinden oder sehbehinderten Person Akteneinsicht zu gewähren, kann sie verlangen, dass ihr die Akteneinsicht nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 barrierefrei gewährt wird. Ein Anspruch im Sinne der Sätze 1 bis 3 steht auch einer blinden oder sehbehinderten Person zu, die von einer anderen Person mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt oder hierfür bestellt worden ist. Auslagen für die barrierefreie Zugänglichmachung nach diesen Vorschriften werden nicht erhoben. (2) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise die in Absatz 1 genannten Dokumente und Dokumente, die von den Parteien zur Akte gereicht werden, einer blinden oder sehbehinderten Person zugänglich gemacht werden, sowie ob und wie diese Person bei der Wahrnehmung ihrer Rechte mitzuwirken hat. (3) Elektronische Dokumente sind für blinde oder sehbehinderte Personen barrierefrei zu gestalten, soweit sie in Schriftzeichen wiedergegeben werden. Erfolgt die Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg, ist dieser barrierefrei auszugestalten. Sind elektronische Formulare eingeführt (§ 130c der Zivilprozessordnung, § 14a des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 46f des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 65c des Sozialgerichtsgesetzes, § 55c der Verwaltungsgerichtsordnung, § 52c der Finanzgerichtsordnung), sind diese blinden oder sehbehinderten Personen barrierefrei zugänglich zu machen. Dabei sind die Standards von § 3 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843) in der jeweils geltenden Fassung maßgebend.
Verweise auf weitere Bundesgesetze/ Bundesverordnungen betr. Barrierefreiheit:
§ 191a Abs. 3 Satz 4 verweist auf § 3 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011
Gesetzeskommentierungen:
zu § 186: Neben speziellen technischen Kommunikationsmitteln (Abs. 1 S. 2) hat das Gericht ggf. auch das für die Bedienung erforderliche Personal bereitzustellen (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt Rn. 2; KK-StPO/Diemer Rn. 2). Kosten eines für den Angeschuldigten herangezogenen Dolmetschers oder sonstige – auch technische – Unterstützung werden grds. nicht erhoben (§ 464c StPO; SK-StPO/Frister Rn. 10 f.)
Urteile:
Aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG folgt allerdings kein uneingeschränkter Anspruch des behinderten Menschen auf Gestaltung einer mündlichen Gerichtsverhandlung nach seinen Vorstellungen. Etwa hat das BVerfG die ablehnende Entscheidung eines Gerichts, dem unter Autismus leidenden Beschwerdeführer die barrierefreie mündliche Verhandlung über einen längeren Zeitraum von zu Hause aus mittels Computer ähnlich einem Online- Forum zu ermöglichen, als verfassungsgemäß bewertet (BVerfG NJW 2019, 291). Sofern die Möglichkeit der Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder eines Beistands gewährleistet sei, könne dies im Einzelfall den Anforderungen des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG genügen.