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Hier informieren wir Sie über Neuigkeiten aus dem Bereich der Barrierefreiheit sowie aus der Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

Perspektiven für mehr barrierefreien Wohnraum - die Sicht der Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Das nachfolgende Perspektivenpapier wurde für die Veranstaltung „Kosten und Förderung von Barrierefreiheit im Wohnungsbau“ des Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und der Bundesinitiative Barrierefreiheit am 23. Juni 2025 in Berlin als Handout erstellt.

Ausgangslage

Bereits im Mikrozensus 2018 wird auf den Bedarf an über 2 Millionen barrierefreien Wohnungen hingewiesen. In einer Studie im Auftrag der KfW Bankengruppe und des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) aus dem Jahr 2020 "Altersgerecht Umbauen" wird aufgezeigt, dass wir auch in 10 Jahren auf Grund des demografischen Wandels und vor dem Hintergrund der aktuellen Bautätigkeit noch mehr als zwei Millionen barrierefreie, barrierereduzierte und altersgerechte Wohnungen zusätzlich benötigen werden. Auch die Zahlen für 2023 der Studie „Altersgerechter Wohnraum“ (IW-Trends) weisen keine signifikanten Unterschiede auf. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Versorgungslücke voraussichtlich sogar vergrößern wird.

Gleichzeitig erfüllen sieben der 16 Bundesländer in ihrer Landesbauordnung nur den Mindeststandard der Musterbauordnung (MBO). Dieser besagt, dass barrierefreie Wohnungen nur in einem Geschoss bereitgestellt werden müssen. Diese Empfehlung der MBO wurde seit mehr als 20 Jahren nicht mehr verändert.

Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat in Zusammenarbeit mit Fach- und Beratungsstellen für Barrierefreiheit verschiedener Bundesländer in den vergangenen Monaten eine fachliche Expertise zur Änderung der MBO erarbeitet. Diese enthält konkrete textliche Änderungsvorschläge und stellt eine Grundlage für alle Verantwortlichen in den Bundesländern dar, um Vorschläge für eine Änderung der eigenen Landesbauordnung einbringen zu können.

Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen dringend notwendig, um mehr barrierefreien Wohnraum zu schaffen.

1. Kosten der Barrierefreiheit im Wohnungsbau

Gemäß verschiedenen Untersuchungen liegen die Mehrkosten im Neubau bei frühzeitiger Planung für nach DIN 18040-2 errichteten barrierefreien Wohnraum zwischen 0,86 und 1,7 Prozent.

Der ARGE-Bauforschungsbericht aus Hamburg im Jahr 2017 ermittelte Mehrkosten für Barrierefreiheit nach DIN 18040-2 in Höhe von 1,7 Prozent - allerdings ohne den R-Standard der DIN, also barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar.

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2017, die Terragon-Studie, entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Dort sind Mehrkosten von nur 1,26 Prozent errechnet worden. Bezogen auf die Gesamtinvestition waren es sogar nur Mehrkosten von 0,86 Prozent.

Der Bundesbeauftragte für Menschen mit Behinderung hielt 2022 eine Regionalkonferenz zusammen mit der Bundesarchitektenkammer ab. Dort wurden die Mehrkosten mit unter einem Prozent beziffert.

Auf der Fachkonferenz der Bundesfachstelle Barrierefreiheit „Mehr barrierefreien Wohnraum schaffen!“ im Februar 2024 in Erfurt wurde ein Projekt aus Krefeld vorgestellt (Dokumentation Wohnraumkonferenz). Die Mehrkosten dort wurden mit 1,61 Prozent angegeben, wobei ein Teil der Wohnungen den R-Standard erfüllt.

Im Neubau ist bei entsprechender Planung Barrierefreiheit erwiesenermaßen kein Kostentreiber.

2. 16 Länder – 16 Förderkulissen im sozialen Wohnungsbau

Der individuelle Abbau einzelner Barrieren in der eigenen Wohnung ist ein wichtiger Baustein im Wohnungswesen. Gesellschaftspolitisch bedeutsamer sind jedoch diejenigen Instrumente, mit denen präventiv und nachhaltig Wohnraum und ein entsprechendes Wohnumfeld hergestellt werden, um für einen unbekannten Nutzerkreis einen Mehrwert zu schaffen. Solche Instrumente sind insbesondere der soziale Wohnungsbau, Maßnahmen zur Barrierereduzierung im Bestand sowie städtebauliche Programme.

Bereits 2018 haben die Behindertenbeauftragten der Länder und des Bundes in ihrer „Hamburger Erklärung“ die Schaffung von barrierefreiem und darüber hinaus uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbarem und bezahlbarem Wohnraum gefordert, sowohl im Bestand als auch beim Neubau. Auch forderten sie, dass die soziale Wohnraumförderung mit der Umsetzung von Barrierefreiheit verbunden sein muss.

Förderprogramme und Zusatzdarlehen sind eine notwendige Unterstützung bei der Schaffung von mehr barrierefreiem Wohnraum. Dies zeigten in der von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit ausgerichteten Konferenz in Erfurt im Februar 2024 (Dokumentation Wohnraumkonferenz).

3. Weiterentwicklung der Förderkulisse zu Barrierefreiheit

Menschen mit Behinderung wird nach Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention das Recht zugestanden, gleichberechtigt ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben möchten. Sie sind, wie alle anderen auch, in allen Einkommensgruppen vertreten und nicht ausschließlich Mieterinnen und Mieter des sozialen Wohnungsbaus. Es müssen auch im freifinanzierten Wohnungsbau barrierefreie Wohnungen in ausreichender Zahl vorhanden sein.

Unabhängig von den Mindestanforderungen der jeweiligen Landesbauordnung obliegt es den Kommunen, ausreichend barrierefreien Wohnraum für ihre Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Ein zentrales Element hierfür kann die Bauleitplanung sein.

Die Bundesfachstelle hat Vorschläge unterbreitet, analog zum Umweltbericht einen Barrierefreiheitsbericht im Baugesetzbuch zu verankern. Ungeachtet dessen sind die Kommunen auch heute schon frei, im Rahmen ihrer Bauleitplanungen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die barrierefreien Wohnraum fördern. So könnte in Bebauungsplänen eine Anzahl barrierefreier Wohnungen vorgesehen werden oder die Beteiligung des kommunalen Behindertenbeauftragten.

Entsprechende, Barrierefreiheit fördernde Anforderungen in Bauleitplänen könnten öffentlich gefördert werden.

Dr. Volker Sieger

Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit

23. Juni 2025, Berlin

Links:

Institut Wohnen und Umwelt (IWU) - 2020:
Evaluation des KfW-Förderprogramms „Altersgerecht Umbauen (Barrierereduzierung – Einbruchschutz)“

Institut Wohnen und Umwelt (IWU) - 2023:
Studie "IW-Trends - Altersgerechter Wohnraum", 2/2023 (PDF, nicht barrierefrei)

Expertise der Bundesfachstelle Barrierefreiheit in Zusammenarbeit mit Fach- und Beratungsstellen für Barrierefreiheit verschiedener Bundesländer - 2024:
Baufachliche Empfehlungen zur Barrierefreiheit für eine Änderung der Musterbauordnung (PDF, barrierefrei)

Bericht des Bauforschungsinstituts ARGE, Kiel - 2017 (Nr. 74: "Gutachten zum Thema Baukosten in Hamburg"):
ARGE-Studien: Bauforschungsbericht Nr. 74 (PDF, nicht barrierefrei)

Studie von Terragon - 2017:
Terragon-Studie: "Barrierefreies Bauen im Kostenvergleich" in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (PDF, nicht barrierefrei)

Dokumentation zur Fachkonferenz „Mehr barrierefreien Wohnraum schaffen!“ - 2024:
www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/wohnraumkonferenz-dokumentation (PDF, barrierefrei)

Gemeinsame Erklärung der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder - 2018:
Die Hamburger Erklärung der Behindertenbeauftragten (PDF, nicht barrierefrei)