Bereich InitiativeSozialraumInklusiv

Inklusiver Sozialraum

Für mehr Barrierefreiheit in Kommunen und Regionen

Rückblick: Dritte Regionalkonferenz „Einfach reisen“ in Rostock präsentierte Beispiele des barrierefreien Tourismus

Datum 05.10.2020

Über 180 Personen nahmen an der dritten Regionalkonferenz der InitiativeSozialraumInklusiv (ISI) teil, die am Dienstag, 29. September, in Rostock stattfand. Der Großteil der Gäste – Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden von Menschen mit Behinderung, Wirtschaft, Kommunen sowie touristische Anbieter – sah die Konferenz per Livestream.

Die erste Regionalkonferenz in Corona-Zeiten, das bedeutete eine neue Form der Veranstaltung: Erstmals wurde die Konferenz zusätzlich per Livestream übertragen und auch Referentinnen und Referenten waren per Video zugeschaltet. Die Konferenz mit dem Thema „Einfach reisen“ wurde gemeinsam von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern und dem Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. veranstaltet.

Barrierefrei reisen in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo

Wie kann freies und unabhängiges Reisen auch für Menschen mit Behinderung ermöglicht werden? Welche guten Beispiele dafür gibt es bereits? Diese und weitere Fragen rund um das Thema Barrierefreiheit wurden auf der Konferenz erörtert. Ziel der Regionalkonferenzen der InitiativeSozialraumInklusiv ist es, Städte und Gemeinden für eine inklusive Sozialraumgestaltung zu sensibilisieren und - im Falle der dritten Regionalkonferenz - Wechselwirkungen mit dem Tourismus aufzuzeigen.

Was barrierefreies Reisen (er)fordert 

Eröffnet wurde die Konferenz von Gerd Lange, Leiter des Referats „Tourismus“ im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern. Anschließend führte Dr. Volker Sieger, Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, in das Thema „Einfach reisen – alle inklusive“ ein. Er erläuterte:

Auch wenn das Reisen durch die Corona-Pandemie derzeit eingeschränkt ist – es bleibt ein wichtiges Bedürfnis der Menschen. Und das gilt für alle Menschen, ob alt oder jung, ob mit Beeinträchtigung oder ohne.

In seiner Rede erklärte Sieger, dass ein einzelnes barrierefreies Angebot am Reiseziel, beispielsweise ein barrierefreies Hotel, nicht ausreichend ist:

Mehr noch als für andere Menschen ist für Reisende mit Behinderung die gesamte touristische Servicekette von Bedeutung.

Das bedeute, dass auch Gastronomie, Sehenswürdigkeiten, kulturelle Angebote und Einzelhandel barrierefrei zugänglich und nutzbar sein müssten. Auch die barrierefreie Infrastruktur spiele dabei eine große Rolle. 

Wo Handlungsbedarf besteht

Zur Verbesserung der derzeitigen Situation seien laut Sieger Anbieter und die Politik gefordert:

Es braucht konzeptionelle Klarheit, zielgerichtete Aktivitäten, Zusammenarbeit und schlussendlich auch die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Dabei sei es nicht ausreichend, wenn der Staat nur punktuell unterstützend wirke:

Um einen barrierefreien Tourismus in Kommunen und Regionen und in unterschiedlichen Segmenten zu fördern und sein inklusives Potenzial zu erschließen, bedarf es einer Gesamtstrategie und eines ganzen Maßnahmenbündels. Denn nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und förderlich sind, erhalten die Akteurinnen und Akteure vor Ort den Schub, den sie verdienen und den unsere Gesellschaft benötigt.

Gleichzeitig könnte der Tourismus eine Vorbildfunktion einnehmen:

Wenn der Tourismus als Querschnittsaufgabe verstanden wird, an der man gemeinsam arbeiten muss, ist er wie vielleicht kein anderes Handlungsfeld geeignet dafür, Sozialräume inklusiv zu gestalten

, bilanzierte Sieger.

Im Anschluss referierte Iris Gleicke, ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin und Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, darüber, wie touristische Angebote der Zukunft aussehen müssen. Sie betonte unter anderem den großen Mangel an barrierefreien Unterkünften. So seien von mehr als 50.000 Beherbergungsbetrieben in Deutschland gerade einmal gut 600 durch das Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“ zertifiziert. Annette Rösler, Geschäftsführerin des Bäderverbandes Mecklenburg-Vorpommern und seit vielen Jahren im Land Vorkämpferin für den Ausbau barrierefreier Angebote, präsentierte anschließend Best-Practice-Beispiele aus dem Nordosten. Gleichzeitig betonte sie auch das nach wie vor vorhandene Optimierungspotenzial, gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung.

In einem Podiumsgespräch wurde der Status quo zum barrierefreien Reisen diskutiert. Danach wurden konkrete Beispiele aus der Praxis präsentiert und deren Nachahmungspotenziale erörtert. Zudem wurden bundesweite Initiativen vorgestellt. So etwa das Kennzeichnungssystem „Reisen für alle“, die nationale Tourismusstrategie des Bundes sowie die Einbettung von Barrierefreiheit in Naturschutz und -erleben. In einer abschließenden Podiumsrunde waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass es noch einiger Anstrengungen bedarf, damit Menschen mit Behinderung zukünftig einfach und ganz selbstverständlich reisen können. 

Die Situation in Mecklenburg-Vorpommern: 50 Angebote mit Zertifikat „Reisen für Alle“ 

Bereits seit fünf Jahren beschäftigt sich auch der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen des Projektes „Gesundes und barrierefreies Mecklenburg-Vorpommern“ konzertiert mit dem Thema barrierefreies Reisen. Kern der Arbeit ist die Zertifizierung von Angeboten entlang der gesamten Servicekette nach dem bundeseinheitlichen Qualitätssiegel „Reisen für Alle“. Um das Kennzeichnungssystem zu erwerben, erheben ausgebildete Prüfer/-innen den Istzustand von Beherbergungsbetrieben, Freizeiteinrichtungen, Regionen und Orten. Die erhobenen und geprüften Daten helfen Menschen mit Behinderung, selbst einzuschätzen, ob sie das Angebot/Objekt nutzen können. 50 Mal wurde das Siegel bisher im Nordosten vergeben: an 28 Beherbergungsbetriebe, 16 Angebote im Bereich Freizeit, Sport, Unterhaltung und Kultur sowie sechs Tourist-Informationen und Kurverwaltungen.

Reisen bedeutet Erholung, Bildung, Abenteuer und Teilhabe. Wir wollen, dass das in Mecklenburg-Vorpommern allen Gästen offensteht, ob sie nun mit oder ohne Beeinträchtigung zu uns kommen. Wir arbeiten daran, immer mehr Barrieren abzubauen, deshalb unterstützen wir mit dem Projekt "Gesundes und barrierefreies Mecklenburg-Vorpommern" Urlaubsorte und Gastgeber dabei, ihre Unterkünfte, Strandzugänge und Freizeitangebote so zu gestalten, dass sie für alle erreichbar und zugänglich sind. Nach Mecklenburg-Vorpommern zu reisen, soll Horizonte öffnen, und da darf der Horizont nicht an einer Treppe enden

, sagte Birgit Hesse, Präsidentin des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, anlässlich der Konferenz.

Hintergrund: die InitiativeSozialraumInklusiv

Die InitiativeSozialraumInklusiv (kurz: ISI) wurde im Juli 2018 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiiert. Seit 2019 wird sie von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit weitergeführt. Die Initiative ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Mehr zur Initiative und den Regionalkonferenzen lesen Sie hier: