Bundesfachstelle Barrierefreiheit

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Bald besserer Zugang zu Büchern für Menschen mit Behinderungen

Datum 11.10.2017

Am 11. Oktober 2017 sind die vom Europäischen Parlament und dem Rat im Juli beschlossenen Rechtsakte zur Umsetzung des „Vertrages von Marrakesch“ in Kraft getreten. Damit wird es Bürgern der Europäischen Union künftig erlaubt sein, Werke der Literatur und Kunst barrierefrei zu gestalten, ohne dass die Urheber hierzu zustimmen müssen. Viele Bücher, Zeitungen und andere gedruckte Werke können dadurch für blinde, sehbehinderte oder lesebehinderte Personen zugänglich werden.

Zwei Hände lesen eine mit Brailleschrift bedruckte Buchseite. Foto: DBSV/A.Friese Die neuen EU-Regelungen ermöglichen mehr Werke in Braille-Schrift.

Lange Zeit war es umstritten, ob die Europäische Union oder die Mitgliedsstaaten für die Umsetzung des „Vertrages von Marrakesch“ zuständig seien. Jetzt haben das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die erforderlichen Rechtsakte (Richtlinie und Verordnung) beschlossen. Sie sind innerhalb eines Jahres von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen und ab dem 12. Oktober 2018 europaweit einzuhalten.

Wer von der Neuerung profitiert

Von der neuen Regelung profitieren blinde Menschen, Menschen mit einer Sehbehinderung oder Wahrnehmungsstörung, Menschen, die aufgrund einer körperlichen Behinderung nicht in der Lage sind, ein Buch zu halten oder die Augen still zu halten sowie Menschen mit einer Lesebehinderung. Zu einer Lesebehinderung zählt auch die Lese-Rechtschreib-Schwäche.

Welche Werke betroffen sind

Die Werke, die nun für diese Personengruppen nutzbar werden sollen, sind neben Büchern auch E-Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Magazine und andere Schriftstücke sowie Notationen einschließlich Notenblättern, egal ob digital oder analog. Neben herkömmlichen gedruckten Werken betrifft die Regelung auch die Audioform, also beispielsweise Hörbücher.

Welche alternativen Formate den Zugang für die begünstigten Personen ermöglichen können, wird nur abstrakt beschrieben. Zu den barrierefreien Formaten, die jetzt erlaubt werden, gehören Ausgaben in Braille-Schrift und Großdruck, aber auch angepasste E-Bücher und Hörbücher sowie sonstige vorlesbare Dateien. Da es sich immer um Vervielfältigungsstücke, d.h. Kopien, handeln muss, sind inhaltliche Bearbeitungen wie Übertragungen in Deutsche Gebärdensprache oder Leichte Sprache nicht umfasst.

Wer die barrierefreien Formate herstellen darf

Die barrierefreien Formate dürfen einerseits die betreffenden Menschen mit Behinderungen für den eigenen Gebrauch selbst herstellen. Zum anderen dürfen dies sogenannte befugte Stellen: Stellen, die vom jeweiligen Mitgliedsstaat ermächtigt sind, die begünstigten Personenkreise in Fragen des Lese- und Informationszugangs zu schulen, auszubilden oder ihnen andere Dienstleistungen in diesem Zusammenhang anzubieten. Das sind in Deutschland zum Beispiel die Blindenbibliotheken. Die befugten Stellen dürfen die barrierefreien Werke in gemeinnütziger Weise auch anderen zur Verfügung stellen. Zudem soll es zulässig sein, die barrierefreien Formate innerhalb aller Vertragsstaaten auszutauschen.

Was der deutsche Staat jetzt tun muss

Deutschland kennt in § 45a Urheberrechtsgesetz bereits eine ähnliche gesetzliche Erlaubnis. Allerdings werden bislang nur sinnliche Beeinträchtigungen erfasst, die Lese-Rechtschreib-Schwäche also beispielsweise nicht. Außerdem müssen in Zukunft neben den bislang zulässigen alternativen, zugänglichen Formaten weitere Formen der Weitergabe zugelassen und die Regelungen zum internationalen Austausch den neuen Vorgaben angepasst werden.

Die Historie des Marrakesch-Vertrags

Der Vertrag von Marrakesch wurde im Juni 2013 auf der Ebene der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization, WIPO) verabschiedet, einer Teil-Organisation der Vereinten Nationen. Drei Jahre später, im Juni 2016, trat er in Kraft, nachdem ihm 20 Vertragsstaaten beigetreten waren. Deutschland wollte den Vertrag im Jahr 2014 ratifizieren. Die Europäische Kommission machte allerdings eine ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union geltend und beantragte im Jahr 2015 hierzu ein Rechtsgutachten beim Gerichtshof der EU. Dieser kam im Februar 2017 zum Ergebnis, dass die EU allein zuständig ist. Damit war der Weg für eine Verabschiedung durch die Europäische Union frei.

Weitere Informationen zum Marrakesch-Vertrag finden Sie auch in einer Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte.